ZUR KÜNSTLERISCHEN AUSBILDUNG
In gesellschaftliche Verhältnisse eingreifen
Hinzu kommt ein weiterer wesentlicher Aspekt, der zur Gründung der Freien Landesakademie Kunst führte. Es gibt nicht nur Bedarfe in Schulen und Kindergärten – das ist hinlänglich bekannt: Wenn es ihre Finanzmittel erlauben, geschieht in diesem Bereich einiges. Es gibt auf der Seite der Kunst, insbesondere unter Studierenden an Kunsthochschulen und Akademien, ein starkes Bedürfnis mit ihrer künstlerischen Arbeit unmittelbar in die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse einzugreifen.

Bachelor- und Masterthesen der Studierenden belegen das Interesse an globalen ökologischen und ökonomischen Problemfeldern und an künstlerischen Arbeiten, wie sie im Anschluss an die Arts and Crafts Bewegung in England, den russischen Avantgardisten und dem Bauhaus in den letzten Jahrzehnten international erarbeitet wurden – von Joseph Beuys über Tim Rollins bis Rirkrit Triavanija, Paul Chan, Ferran Adrià, Arpad Dobrian und Thomas Hirschhorn – ganz abgesehen von Künstlerinnen und Künstlern in Ländern der Menschenrechtsverletzungen, die geradezu gezwungen sind, sich täglich mit den unmittelbaren politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.

Neben dem Programm „Kunst und Leben zu vereinen“ gibt es zugleich eine berufspezifische ökonomische Notwendigkeit die traditionellen künstlerischen Handlungsfelder auszuweiten. Die wenigsten Studierenden, die Kunst studieren und sich an Akademien ausbilden, werden von Malerei, Zeichnung oder Bildhauerei leben können.

Die künstlerische Arbeit in wirtschaftlichen und sozialen Kontexten ist eine besondere Möglichkeit der Ausweitung traditioneller Tätigkeitsbereiche, die bis heute nur zögerlich genutzt wird. Richard Schindler propagiert seit vielen Jahren in Lehrveranstaltungen und Vorträgen, was Künstler in Institutionen, in Unternehmen und sozialen Einrichtungen tun können: Kunst im Sinne des Visual Profiling ist eine Form der künstlerischen Invention, die ganz auf die traditionellen Kompetenzen professioneller Künstler setzt und doch erlaubt, auf höchstem Niveau eine Dienstleistung zu erbringen – und zwar ohne die historisch erworbene Loslösung der Kunst von Kirche, Staat und Wirtschaft aufzugeben.

Die in der Freien Landesakademie Kunst fovorisierte künstlerische Arbeit jedenfalls geht über die Ermöglichung bildhaften Gestaltens durch Vermittlung bildnerischer Techniken an Mitarbeiter, Schüler, Kinder oder Erzieherinnen hinaus. Das gleiche gilt für künstlerische Angebote in der Wirtschaft, die üblicherweise Wahrnehmung und Kreativität durch Selbsterfahrung im bildnerischen Tun der Mitarbeiter oder Manager zu fördern anstreben.